Neue DFG-Empfehlungen zum Whistleblowing werden kontrovers diskutiert

12.7.2013

Der Whistleblower ist seit den Enthüllungen des US-Amerikaners Edward Snowden in aller Munde. Auch in der Wissenschaft spielt der Whistleblower eine wichtige Rolle dort, wo er Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten gibt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat unlängst ihre Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis aus dem Jahr 1998 überarbeitet und vor dem Hintergrund diverser prominenter Plagiatsfälle einen Passus zum Whistleblowing aufgenommen. Dieser sorgt nun für Schlagzeilen.

In der „Empfehlung 17: Hinweisgeber (sog. Whistleblower)“ heißt es dazu: „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die einen spezifizierbaren Hinweis auf einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens geben (Hinweisgeber, sog. Whistleblower), dürfen daraus keine Nachteile für das eigene wissenschaftliche und berufliche Fortkommen erfahren. Die Vertrauensperson (Ombudsman) wie auch die Einrichtungen, die einen Verdacht überprüfen, müssen sich für diesen Schutz in geeigneter Weise einsetzen. Die Anzeige muss in „gutem Glauben“ erfolgen.“ In der Erläuterung zu der Empfehlung wird ergänzt, dass eine „zweckmäßige Untersuchung grundsätzlich die Namensnennung der Whistleblower erfordere. „Die Überprüfung anonymer Anzeigen ist durch die Stelle, die den Vorwurf entgegennimmt, abzuwägen.“

Insbesondere Letzteres führte nach Veröffentlichung der Empfehlung zu intensiven Debatten. Die Formulierung lässt die Annahme anonymer Hinweise zwar grundsätzlich offen. Kritiker fürchteten allerdings dennoch, die DFG wolle die Arbeit von Plattformen wie GuttenPlag und VroniPlag, auf denen in der Vergangenheit Hinweisgeber mehrere prominente Plagiatsfälle aufgedeckt hatten, unterbinden. Bereits Anfang Juni hatte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ihrerseits eine Empfehlung verabschiedet, die sich dafür ausspricht, Verstöße gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis an den Hochschulen selbst zu prüfen. Dort heißt es: Wende sich ein Hinweisgeber an die Öffentlichkeit, verstoße er selbst gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis.

Damals kritisierte der Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano, der die Doktorarbeit des früheren Verteidigungsministers zu Guttenberg als Plagiat entlarvt hatte: „Man darf eine kritische Öffentlichkeit nicht ausschließen, im Gegenteil. Man muss sie miteinbeziehen, um jeden Verdacht der Vertuschung und des Korpsgeistes unter Wissenschaftlern von vorneherein auszuräumen.“ Eine Online-Petition wendet sich mittlerweile gegen die Empfehlungen von HRK und DFG und warnt davor, den öffentlichen Diskurs um wissenschaftliches Fehlverhalten abzuwürgen. Auf VroniPlag heißt es zur Begründung dafür, dass die Whistleblower in der Regel anonym bleiben: „Einige Wiki-Beitragende wollen sich durch die Anonymität/Pseudoanonymität vor persönlichen Anfeindungen schützen und eventuelle Nachteile (z. B. im Beruf) vermeiden“.

Dass der Hinweisgeber vor persönlichen Nachteilen geschützt werden müsse, sieht auch die DFG so. In ihren Empfehlungen betont sie: „Nicht der Whistleblower, der einen berechtigten Verdacht äußert, schadet der Wissenschaft und der Einrichtung, sondern der Wissenschaftler, der ein Fehlverhalten begeht. Daher darf die Anzeige eines Whistleblowers nicht zu beruflichen Nachteilen und Beeinträchtigungen der wissenschaftlichen Karriere führen.“ Dies gelte im Besonderen für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler. Die Anzeige des Whistleblowers habe „in gutem Glauben“ zu erfolgen: „Ein leichtfertiger Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, erst recht die Erhebung bewusst unrichtiger Vorwürfe, kann eine Form wissenschaftlichen Fehlverhaltens darstellen.“

Der Name des Hinweisgebers sei vertraulich zu behandeln, so die DFG weiter. Eine Offenlegung des Namens gegenüber dem Betroffenen könne im Einzelfall allerdings geboten sein, wenn sich der Betroffene andernfalls nicht sachgerecht verteidigen könne. Grundsätzlich müsse eine Vorverurteilung der betroffenen Person vor abschließender Prüfung des Verdachts unbedingt vermieden werden. „Die Vertraulichkeit des Verfahrens ist dann nicht mehr gegeben, wenn sich der Whistleblower mit seinem Verdacht zuerst an die Öffentlichkeit richtet, ohne zuvor die Hochschule oder Forschungseinrichtung über den Hinweis des Verdachts eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu informieren. […] Es ist nicht hinzunehmen, dass die frühzeitige Herstellung der Öffentlichkeit durch die informierende Person einen Reputationsverlust des Betroffenen zur Folge hat.“

Spricht sich die DFG also gegen eine kritische Öffentlichkeit aus? Die DFG hat mittlerweile auf die Diskussion in den Medien in Form einer Pressemitteilung reagiert und klargestellt, dass die Empfehlung zum Whistleblowing und der darin formulierte Grundsatz der Vertraulichkeit nur für Ombudsverfahren gelten. Die Empfehlung schränke „den Grundsatz der Öffentlichkeit wissenschaftlicher Diskurse in keiner Weise ein“. Denn Ombudsverfahren seien nur einer von mehreren Wegen, zwischen denen Wissenschaftler(innen) wählen könnten, um Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten zu geben. Andere Formen seien von der Regelung zur Vertraulichkeit unberührt.

Im Interview mit dem Deutschlandradio erläuterte DFG-Präsident Peter Strohschneider die Position seiner Einrichtung: „[D]er Vorwurf, dass die DFG irgendwie die Freiheit der Wissenschaft einschränken wolle, der ist einfach ohne Grundlage. Denn diese Vertraulichkeitsregel […] ist allein eine Vertraulichkeitsregel für das Ombudsverfahren. Die setzt alle anderen Formen wissenschaftlicher Urteilsbildung und Qualitätskontrolle über das Internet, über die Publikation von Rezensionen in wissenschaftlichen Zeitschriften, über Debattenbeiträge auf wissenschaftlichen Konferenzen und so weiter, die setzt diese Formen, diese konstitutiven Formen wissenschaftlicher Selbstkontrolle und Urteilsbildung selbstverständlich keineswegs außer Kraft!“ Letztlich müsse sichergestellt werden, so Strohschneider, dass das Instrument des Whistleblowing nicht missbraucht werde. (tm)

Quellen: DFG, SZ, dradio

DFG-Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis

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