Einigung zwischen CSU und FDP: Bayern schafft die Studiengebühren ab

26.2.2013

Am Wochenende fiel die Entscheidung: Die bayerische FDP hat einem Kompromiss mit der CSU zugestimmt, der den Weg frei macht für die Abschaffung der Studiengebühren im Freistaat. Im Gegenzug hat die CSU zugesagt, zusätzliches Geld in Bildung zu investieren und mehr Schulden abzubauen als geplant. Gesamtkosten des Pakets: 900 Millionen Euro. Dem Kompromiss muss noch der FDP-Parteitag am Wochenende in Aschaffenburg zustimmen. Es werden kontroverse Debatten erwartet.

Die schwarz-gelbe Regierung in Bayern hat ihren Streit über die Abschaffung der Studiengebühren am Wochenende bei einem Spitzentreffen in der Staatskanzlei beigelegt. Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich zufrieden mit dem Kompromiss. Die Verhandlungsführerin der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sagte, sie könne den Kompromiss sehr gut vertreten. Dieser sieht vor, dass die CSU im Landtag entgegen der Koalitionsvereinbarung mit der Opposition für eine Abschaffung der Studiengebühren im Freistaat stimmt. Die Studiengebühren sollen nach dem Beschluss bereits zum Wintersemester 2013/14 entfallen.

Als Zugeständnis an die FDP einigten sich die Koalitionäre auf ein 900 Millionen Euro schweres Bildungs- und Entschuldungspaket. Damit sollen den Hochschulen zum einen die wegfallenden Studiengebühren vollständig aus dem Landeshaushalt erstattet werden. Kostenpunkt: 219 Millionen Euro bis Ende 2014. Weitere 150 Millionen Euro sollen in die frühkindliche Bildung investiert werden. Geplant ist u. a., die Gebühren für das zweite Kindergartenjahr um 50 % zu senken. Von September an soll außerdem jeder, der eine Meisterausbildung macht, 1.000 Euro vom Staat erhalten. Künftigen Erzieher(inne)n und Pflegekräften wird das Schulgeld erstattet. Für diese Maßnahmen im Bereich der beruflichen Bildung werden im Doppelhaushalt 2013/14 zusätzliche 52 Millionen Euro eingeplant. Das insgesamt 421 Millionen Euro schwere Bildungspaket soll über Steuermehreinnahmen finanziert werden.

Daneben einigte sich die Koalition darauf, in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro Schulden zu tilgen, und damit 480 Euro mehr als geplant. Dies soll aus Rücklagen finanziert werden. Außerdem will Schwarz-Gelb weitere 200 Millionen Euro an anderen Stellen einsparen. Wo, ist noch nicht bekannt.

Die FDP war bislang dafür eingetreten, nach dem erfolgreichen Volksbegehren im Januar, bei dem sich 1,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger für die Abschaffung der Studiengebühren ausgesprochen hatten, das Ergebnis des Volksentscheids im Herbst abzuwarten. Die CSU wollte einen Volksentscheid nahe am Termin der Landtagswahl hingegen vermeiden. Sie spricht sich seit vergangenem Herbst für die parlamentarische Abschaffung der Gebühren aus, die sie zuvor befürwortet hatte. Der bayerische FDP-Wirtschaftsminister, Martin Zeil, verteidigte im Deutschlandfunk die Kehrtwende der Liberalen: „Wir mussten erkennen, dass die CSU nicht bereit ist, es zum Volksentscheid kommen zu lassen. Und diese schwierige Situation mussten wir verantwortungsvoll lösen.“ Der FDP-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Thomas Hacker, sagte, die Liberalen hätten von Anfang an den besonderen Wert der frühkindlichen Bildung für die Gesellschaft betont und hier nun wichtige Fortschritte erzielen können. Verhandlungsführerin und FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verteidigte die Vereinbarung mit der CSU ebenfalls: „Ich kann diesen Kompromiss sehr gut vertreten.“

Das wird Beobachtern zufolge nötig sein, denn an der Basis gibt es einigen Unmut. In einer Reihe von Kreisverbänden ist von Umfallertum die Rede. Und der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Tobias Thalhammer, gibt unumwunden zu: „Im Moment fällt es mir schwer, dem Verhandlungsergebnis zuzustimmen.“ Er kritisiert, dass der Großteil des Bildungspakets über Steuermehreinnahmen und nicht über Einsparungen finanziert werden soll. Was aber werde passieren, wenn bei einer schlechter werdenden Konjunktur die Steuereinnahmen nicht mehr so üppig fließen? Die Finanzierung der Bildung müsse solide und konjunkturunabhängig sein, meinen auch die Jungen Liberalen (Julis), denen Thalhammer angehört. „Für uns hat finanzpolitische Solidität oberste Priorität“, macht Juli-Landeschef Matthias Fischbach deutlich. Die Julis haben daher bereits angekündigt, dem Kompromiss auf dem FDP-Landesparteitag am Wochenende in Aschaffenburg nicht zuzustimmen. Sie stellen rund ein Achtel der Delegierten. Fischbach fordert, im Zweifelsfall lieber die Koalition aufzukündigen als die Grundsätze solider Haushaltspolitik. Es werden daher intensive Debatten in Aschaffenburg erwartet. CSU-Chef Seehofer gab sich dennoch optimistisch: „Ich gehe davon aus, dass es der FDP-Spitze gelingen wird, die Parteibasis zu überzeugen, weil es ein sehr gutes Paket ist.“

Die Grünen kritisierten, das Paket sei mit heißer Nadel gestrickt und arbeite bei der Finanzierung mit Tricks und Täuschungen. Schwarz-Gelb habe sich „mit viel Geld und Kosmetik in die nächste Runde gerettet“, bemängelte die Landesfaktionschefin Margarete Bause. Vertreter(innen) der Studierenden warnten davor, dass die vorgesehenen 219 Millionen Euro für 2013 und 2014 nicht ausreichen würden, um den Wegfall der Gebühren zu kompensieren. Allein 2011 hätten die Gebühren fast 182 Millionen Euro betragen, sagte Erik Marquardt vom freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs). Er fordert, die Summe den steigenden Studierendenzahlen anzupassen.

Darin weiß er sich einig mit Horst Hippler, dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Hippler bedauerte den Entschluss der bayerischen Landesregierung, die Studiengebühren im Freistaat abzuschaffen. „Diejenigen, die später die größten Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sollten mit Studienbeiträgen an ihrer Ausbildung beteiligt werden“, so Hippler in der „Welt“. Die Hochschulen in den Ländern, die die Gebühren nun abschafften - neben Bayern hat sich die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen auf einen Verzicht auf Studiengebühren zum Wintersemester 2014/15 geeinigt –, seien auf eine vollständige Kompensation der Gebührenzahlungen angewiesen. Diese müssten dynamisch den steigenden Studierendenzahlen angepasst werden. Hippler plädierte erneut dafür, vor allem die frühkindliche Bildung kostenfrei zu gestalten: „Die Verantwortung des Staates ist am Anfang der Bildungswege viel wichtiger. Kindergärten sollten kostenlos sein, nicht Hochschulbildung. Darüber sollte es keine Diskussion mehr geben.“ Der HRK-Präsident zeigte sich überzeugt, dass die Diskussion über Studiengebühren spätestens mit dem Inkrafttreten der Schuldenbremse in Deutschland erneut geführt werde. Er sprach sich im Falle einer Wiedereinführung für nachgelagerte Gebühren aus. (tm)

Quellen: SZ, Spiegel, dradio, Welt

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