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Ohne Pillen zum Studienerfolg – „Students´ Little Helper“ nicht verbreitet

16.9.2015

Zur Publikation Forum Hochschule 4/2015 „Formen der Stresskompensation und Leistungssteigerung im Studium“

Wie verbreitet sind „Students´ Little Helper“ tatsächlich? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt eine vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) durchgeführte und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beauftragte repräsentative Befragung von Studierenden zu Verbreitung und Mustern studienbezogenen Substanzkonsums. Die Studie belegt: Der Anteil der Studierenden, die zum „Hirndoping“ greifen, also Medikamente und/oder illegale Drogen einnehmen, um das Studium (besser) zu bewältigen, ist mit 6 Prozent nahezu unverändert gering. Die erste Befragung vier Jahre zuvor identifizierte 5 Prozent „Hirndopende“ unter den Studierenden.

Das Studium gehört erwartungsgemäß zu den Lebensbereichen, die für Studierende häufig eine Quelle für Belastung oder Stress sind. Dennoch greifen sie keineswegs unverzagt zu einer Pille, um mit den Studienanforderungen zurechtzukommen. Im Unterschied zum möglichen Eindruck aus zahlreichen Medienberichten, nimmt lediglich ein kleiner Anteil von 6 Prozent der Studierenden nach eigenen Aussagen verschreibungspflichtige Medikamente oder illegale Drogen, um beim Lernen länger durchzuhalten und vor allem um überhaupt in der Lage zu sein, stressige Situationen wie Prüfungen zu meistern.

In der nun vorgelegten Studie „Formen der Stresskompensation und Leistungssteigerung im Studium“, die das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in Hannover im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit im Wintersemester 2014/15 durchgeführt hat, werden diese Studierenden – in Analogie zum Doping beim Sport – als „Hirndopende“ bezeichnet. Die Quote Studierender, die mit frei verkäuflichen Mitteln (Koffeintabletten, Energy Drinks, Vitaminpräparaten, Schlaf-, Beruhigungs- oder Schmerzmitteln, homöopathischen oder pflanzlichen Substanzen) versuchen, das Studium besser zu bewältigen, ist mit 8 Prozent etwas größer. Diese Studierenden werden als „Soft-Enhancende“ bezeichnet. In den letzten vier Jahren hat sich der Anteil „Soft-Enhancender“ etwas erhöht: Zum Zeitpunkt der ersten Erhebung, im Wintersemester 2010/11, betrug er 5 Prozent. Studentinnen gehören genauso häufig wie Studenten zu den „Hirndopenden“. „Soft-Enhancement“ hingegen ist unter Studentinnen mit 10 Prozent häufiger zu beobachten als unter Studenten (6 Prozent).

Den Studierenden, die zum „Hirndoping“ greifen, geht es auf vielen Ebenen nicht gut: Sie fühlen sich aktuell (sehr) stark gestresst, sie sind mit ihrem Leben insgesamt deutlich unzufriedener als die Mehrheit der Studierenden, sie fühlen sich von vergleichsweise vielen Lebensbereichen belastet (z.B. Studium, Nebenjob, Finanzen, Gesundheit, Partnerschaft). An der Hochschule sind sie weniger gut integriert als ihre Mitstudierenden, das heißt, sie haben seltener Kontakte zu ihren Kommiliton(inn)en oder zu den Lehrenden, von denen sie sich zudem häufig nicht anerkannt fühlen. Ihre Schwierigkeiten im Studium sind überdurchschnittlich groß und die Selbsteinschätzung ihrer Studienleistung fällt tendenziell schlechter aus als bei den Mitstudierenden.


Bild 1 Studierende mit leistungsbezogenem Substanzkonsum – 2014 und 2010 im Vergleich, in %

Um die Bedeutung des leistungsbezogenen Substanzmissbrauchs im Zusammenhang mit anderen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen zu untersuchen, wurde auch der wesentlich weiter verbreitete Alkohol- und Nikotinkonsum der Studierenden erfragt. Jede(r) vierte Studierende (25 Prozent) zählt zu den Raucher(inne)n, von den „Hirndopenden“ jedoch mit 47 Prozent anteilig fast doppelt so viele („Soft-Enhancende: 27 Prozent, Nicht-Anwendende: 23 Prozent). Ähnlich große Unterschiede zeigen sich beim Alkoholkonsum. Die Hälfte der „Hirndopenden“ trinkt mindestens einmal pro Woche Alkohol (50 Prozent, vgl. Bild 2). Bei den „Nicht-Anwendenden“ und v.a. bei den „Soft-Enhancenden“ ist dieser Prozentsatz deutlich geringer (36 Prozent bzw. 30 Prozent).

Im Vergleich verschiedener Risikofaktoren zeigt sich, dass vor allem ein hohes subjektives Stressniveau und eine geringe Lebenszufriedenheit ausschlaggebend dafür sind, ob Studierende „Hirndoping“ betreiben. Aus diesem Grund sind vor allem Studierende gefährdet, die aufgrund ihrer Persönlichkeit besonders sensibel auf Stress reagieren. Aber auch stressresilientere Studierende haben ein höheres Risiko für „Hirndoping“, wenn sie entsprechenden Belastungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus stellt (nicht leistungsbezogener) Cannabiskonsum einen Risikofaktor für Hirndoping dar. Demgegenüber ist „Soft-Enhancement“ stärker von Persönlichkeitsmerkmalen wie starker Stressempfindlichkeit, extrovertiertem Auftreten und Wettbewerbsorientierung abhängig und weniger vom akuten Stressempfinden oder der Lebenszufriedenheit. Diese Merkmale sind – zumindest teilweise – häufiger bei Frauen zu finden.

Warum einige Studierende zu verschreibungspflichtigen Medikamenten und/oder illegalen Drogen greifen („Hirndoping“), während andere ausschließlich frei erhältliche Substanzen („Soft-Enhancement“) wählen, kann vor allem mit den Gründen für die Einnahme leistungssteigernder Mittel erklärt werden: Studierende, die Substanzen zur Schmerzbekämpfung, aus gesundheitlichen Gründen oder aus Neugier nehmen, oder um den Zeitaufwand zum Lernen gering zu halten, haben eine deutlich höhere Neigung zum „Hirndoping“ als andere Studierende mit leistungsbezogenem Substanzkonsum.


Bild 2 Häufigkeit des Alkoholkonsums nach Konsumtyp

Datengrundlage: Die Ergebnisse des Berichts basieren auf einer Online-Befragung des HISBUS-Panels. HISBUS ist ein sogenanntes Online-Access-Panel, mit dem repräsentative Aussagen für die Studierenden in Deutschland zu Fragen der Hochschul- und Bildungspolitik gewonnen werden können. Die Teilnehmer(innen) des Online-Panels werden in anderen Befragungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zufällig rekrutiert. Die dargestellten Befunde beruhen auf den Angaben von ca. 6.700 Befragten und sind auf Bundes- und Landesebene sowie nach Geschlecht, Hochschulart und Fächergruppe repräsentativ.

Die Studie ist als Forum Hochschule 4/2015 erschienen und kann kostenfrei heruntergeladen werden: Download: Forum Hochschule 4/2015

Weitere Downloads:
Bild 1: Studierende mit leistungsbezogenem Substanzkonsum
Bild 2: Häufigkeit des Alkoholkonsums nach Konsumtyp

Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung

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